PetraS hat geschrieben:Es ist mal wieder Zeit der unwissenden Faltradfahrerin was zu erklären. Diesmal: Trittfrequenz.
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Bei einer Gangschaltung erhöht/veringert man den Gang um die gleiche TF zu erhalten? Ist das richtig? Ich dahte immer die wäre dazu da um schneller fahren zu können (hoher Gang) langsamer bzw bergauf (niedriger Gang)
Danke für jegliche Erklärung

und bitte dran denken, ich frage aus der Sicht eines NICHT Sportlers, sondern Standartradfahrer.
Für die Fortbewegung per Rad brauchst Du Kraft. Die addiert sich je Kurbelumdrehung über die Strecke. Trittst Du (bei identischer Geschwindigkeit) langsamer (also in einem höheren Gang) brauchst Du je Umdrehung mehr Kraft als beim schnelleren Treten (in einem niedrigeren Gang) - unterm Strich brauchst Du insgesamt für die gleiche Strecke aber (etwas vereinfacht gesagt) die gleiche Menge Kraft, egal wie schnell Du trittst - Du verteilst sie lediglich anders.
Ergonomisch ist es nun so, dass schnelleres, leichteres Treten günstiger ist (und sich länger durchhalten lässt) als langsames, kräftiges Treten - das hat biologische Hintergründe, ist aber alles andre als intuitiv. Zudem ist es schonender für die Gelenke.
Was nun "schneller" ist und was "zu schnell" ist individuell - grob gesprochen als Daumenregel ist alles unter 60 Umdrehungen tendenziell zu langsam und alles ab knapp 70 ergonomisch und kräftemässig besser im Sinne des Durchhaltevermögens.
Stelle Dir einfach vor, Du müsstest 100 identische kleine Kisten von links nach rechts stapeln. Jede Kiste wiegt 5 kg. Auf einmal schaffst Du das nicht - das wären 500 Kilo. Wenn Du Dich anstrengst, schaffst Du vielleicht 5 (also 25 kg) oder sogar 6 auf einmal. Du wirst aber die Belastung spüren, langsam heben und recht bald eine Pause machen müssen. Wuppst Du hingegen jede Kiste einzeln wirst Du das kaum merken, je Durchgang deutlich schneller sein und kannst wahrscheinlich eine Stunde durchhalten ohne grossartige Pause, hast früher alle Kisten umgestapelt und bist nicht mal ausser Puste. Kontinuierliche leichtere Anstrengung ist besser zu verkraften als pulsierende Schwere. Unbegrenzt schnell wird das aber nicht funktionieren, egal wie leicht die Last ist. So ähnlich ist es auch bei der Trittfrequenz: Leichter ist unterm Strich weniger anstrengend, auch wenn die Bewegung schneller ist.
Von Haus aus treten fast alle Radler zu langsam (weil versucht wird den Gang zu nehmen, den man gerade noch treten kann anstatt eines niedrigeren, der sich kraftmässig anstrengungsfrei treten lässt), schnelleres Treten muss man bewusst üben. Dabei geht es im ersten Schritt nicht um "schneller Fahren" (das kommt später von allein wenn gewünscht) sondern um "schneller Treten" (also ggf. im leichteren Gang) und den gleichmässigen "runden" Tritt.
Wenn man dann seine Wohlfühlfrequenz gefunden oder die herbeitrainiert hat hat ist das Ziel, so oft und so lange wie möglich im Bereich der persönlich angenehmen Trittfrequenz und Kraft zu fahren. Dabei helfen dann Schaltungen mit vielen Gängen, die Frequenz bei unterschiedlichen Strecken und Geschwindigkeiten gleich halten zu können. Am Singlespeed geht das naturgemäss nicht, da ändert sich die Trittfrequenz mit dem Streckenvelauf und der Geschwindigkeit. Dennoch wird sich wahrscheinlich auch da ein Bereich herauskristallisieren, in dem man sich beim Fahren in der Ebene bevorzugt aufhält, weil Trittfrequenz, aufgewendete Kraft und erzielte Geschwindigkeit angenehm harmonieren - für viele Leute liegt der beim SS um und bei 6m Entfaltung oder etwas darunter.
Ob Du Dich nun bei 65, 75 oder 120 Umdrehungen wohl fühlst ist recht egal (und wie gesagt sowohl individuell als auch in Grenzen trainierbar), hat aber speziell beim Singlespeed Auswirkung auf Deine bevorzugte Geschwindigkeit (abhängig von der Entfaltung des Rades).
Im Blümchenpflückermodus ist das alles weitgehend egal, wenn man ein bisschen sportlicher oder weiter fahren will als bislang ist es IMHO kein Fehler, sich diese Zusammenhänge ab und an bewusst zu machen und drauf zu achten. Das geht IMHO mit weniger Gängen sogar einfacher. Ich selber bin wahrlich kein Sportler, hab aber irgendwann einen Radcomputer mit Trittfrequenzmessung gekauft angefangen zu versuchen eine halbwegs konstante Trittfrequenz zu fahren (und diese ggf. langsam zu steigern) anstatt wie früher hohe Spitzengeschwindigkeien - der Trainingseffekt ist beachtlich.
Dem Link von CycoRacer zu folgen und sowohl die beiden dort verlinkten Artikel zur Trittfrequenz als auch die auf CycoRacers verlinktes folgenden Postings zu lesen dürfte noch weiter erhellend wirken
