Entfaltugsbereich bei Falträdern
Um ähnliche Übersetzung wie bei Großrädern zu bekommen muss man bei Kettenschaltung entsprechend größeres Kettenblatt nutzen.
Das beeinträchtigt aber das Faltmaß (bei Unterfaltern; bei Seitenfaltern kaum), reduziert die Bodenfreiheit und erhöhrt auch etwas das Gewicht.
In der Praxis sinnvoll ist bis circa 55 Zähne.
Mit 55 vorn auf 11 hinten erreicht man bei 20" Rädern eine Entfaltung von 100 Gear Inches bzw. 8 Meter pro Umdrehung.
Eine Cadenz von 90 wird als günstig erachtet, da fährt man dann also 90x8x60/1000= 43 km/h.
Das ist für einen sportlichen Fahrer so gerade das Limit, das man auf ebener Strecke einen gewissen Zeitraum fahren kann. In Sprints sind mit 120er Cadenz 57 km/h drin.
Das reicht für vieles, aber natürlich kann man in manchen Fällen bergab nicht mehr mittreten, wo man schon gut mal bis 70 km/h erreichen kann. In der Regel verzichtet man hier mit dem Faltrad also auf diese Fälle zugunsten der noch vertretbaren Kettenblattgröße. Ein wettkampforientierter Falter könnte hier etwas mehr Entfaltungsbereich nach oben mitbringen. Da kann man dann z.B. 60er Kettenblatt montieren, sieht dann so aus (an einem Moulton):
Oder man kann ein Rad mit größeren Rädern wählen. Üblicherweise haben die Renn-Falter daher 451er Laufräder, oder auch 24" (507mm). Mit dem Chameleon hat es Airnimal ja geschafft, ein Faltrad mit 507mm großen Laufrädern noch in ein fluglegales Koffermaß zu bekommen. Dazu ist allerdings auch ein exakt auf die Reifendimensionen passender Koffer nötig sowie der Ausbau
beider Räder. Bei den 451er Lösungen von Bike Friday (Pocket Rocket) kann das Hinterrad im Rahmen verbleiben, das spart also etwas Zerlegeaufwand beim Reisen. Hier hat sich aus verschiedenen Gründen das Unterfalterprinzip durchgesetzt: a) das Hinterrad kommt mittig und kann damit im Rahmen verbleiben zum Verpacken. b) bei Seitenfaltern müsste man ein Schaltwerk abmontieren, um den Rahmen in einen Koffer zu bekommen bzw. auch um es vor Stößen/Druck zu schützen c) etwas steifer im Oberrohr weil kein Faltgelenk.
Bei 20" ließe sich prinzipiell mit viel Gehirnschmalz ein Faltrad entwerfen, das ohne Rausnehmen eines Rades in fluglegales Koffermaß passt. Das würde aber recht wahrscheinlich a) nicht das allerbeste Faltaß erreichen, b) die Auswahl an Koffern einschränken und c) die Steifigkeit und das Gewicht beeinträchtigen. Wäre aber natürlich sehr untersuchenswert. Das Rausnehmen des Vorderrades ist aber auch in wenigen Sekunden gemacht, kann durch quick release an den Bremsen unterstützt werden, oder durch einseitige Radaufhängung, wie besprochen.
Bei 16"er Falträdern gibt es bisher als Kettenschaltungen nur Capreo Sonderlösungen mit 9er Ritzel als Kleinstes. Ansonsten ist man auf Nabenschaltungen angewiesen oder auf Kombilösungen, wie die Dual Drive.
Umwerfer?
Ein Umwerfer vorne macht kaum Sinn, da man in der Bandbreite nach oben durch diese Kettenblattgröße ohnehin beschränkt ist und die Bandbreite nach unten i.d.R. völlig ausreichend ist. Mit einem 34er Ritzel ergibt sind 32 GI bzw. 2,6m. Das sind bei einer 40er Kadenz 6km/h. D.h. wer geringere Entfaltung benötigt, kann auch gleich absteigen und schieben. In einigen Fällen mit sehr steilen Bergen oder beladenes Touring kann natürlich auch Entfaltung bis unter 2m sinnvoll sein. In den meisten Anwendungsfällen braucht man diese kleinen Gänge aber nie und ist es eher sinnvoll, auf ein paar der unteren Gänge zugunsten eines besseren Kettenlaufs, kürzeren Schaltwerkes und geringeren Gewichtes zu verzichten.
Der Umwerfer kann aber das Abspringen der Kette verhindern und den Schräglauf reduzieren. SRAM will mit der XX1 diese Probleme aber behogen haben. Also vielleicht reicht es z.B. Singlespeed Kettenblatt mit deren Horizontalschaltwerk zu kombinieren? Aber auch mit Standardschaltwerk und short cage Schaltwerk klappt 1x10 ohne Umwerfer ganz gut, so dass kaum Kettenspringer auftreten. Wer hier allerdings überwiegend in den sehr kleinen Ritzeln fährt, den kann der ständige Kettenschräglauf stören.
Ritzelpakete
Hinten ist bis 11er Ritzel möglich.
Die neue SRAM XX1 geht bis 10 runter, das ist schon mal gut für Falträder.
Die großen Ritzel oberhalb 34er braucht man aber eigentlich nicht.
9er Ritzel geht nur bei bei der Spezialachse, Capreo.
Das ist aber schwer, verschleißträchtig, und nicht so effizient, macht man ungern, nur wenn einem nichts anderes einfällt.
Kettenblatt
Ohne Umwerfer braucht man vorne also erstmal ein großes Singlespeed Kettenblatt. Von normalen Kettenblättern mit den gekröpften Zähnen und Steighilfen fällt die Kette leider zu leicht ab, damit das nicht passiert haben Singlespeed Kettenblätter lange Zähne, das ist auch langlebiger. Die XX1 Kettenblätter haben darüberhinaus noch Fräsungen für die Kettenglieder, die abwechselnd innen/aussen liegen. Sowas ist zwar nett, aber auch teuer. Und noch nicht in 55er oder gar größer verfügbar, soweit ich das übersehe. Singlespeed Kettenblätter gibt es als "Track" Versionen gut zu kriegen bis 60 Zähne. Darüber ist schwierig zu bekommen.
Das Dilemma
Bei Falträdern würde man halt gern die Einbaubreite hinten minimieren wobei durch die begrenzte Entfaltung nach oben die unteren Gänge ja auch entfallen können. Leider gibt es aber gar keine schmaleren Kassettennaben mehr. Das früher übliche 126mm Maß für 6/7-Fach wurde komplett verdrängt, die Teile sind kaum noch zu bekommen. Inzwischen hat sich alles auf 130mm (Rennradweite) eingeschossen. Das macht den Hinterbau breiter, und wegen der parallelen Kettenline auch das Tretlager und das gesamte Faltmaß. Einige Ritzelpakete haben separate Ritzelträger, beispielsweise Shimano SLX, da kann man dann ggf. ein paar der großen weglassen und die Linie nach innen legen, für besseren Kettenlauf/Kurzschaltwerk/Gewicht. Allerdings sind die ganz leichten Kassetten oft in einem Stück und auch die Kurbelwellen sind meist breiter, so daß man dann Spezialteile oder Track-Komponenten verwenden müsste, um bestimmte Kettenlinieen zu erreichen. Das kleinste Ritzel bleibt jedenfalls auf 11er beschränkt. Mit einem SRAM XX1 Ritzelpaket mit 10er Ritzel kriegt man hier also einen höheren Gang, leider müsste man sich das mit viel zu großen Ritzeln am anderen Ende des Entfaltungs-Spektrums erkaufen, das ist für Falträder nicht so sinnvoll, mal mit Ausnahme von Mountanbike-ähnlichem Einsatzbereich.
Nachdem es nun wie beschrieben zahlreiche Einschränkungen bei Kettenschaltungen für Falträder gibt, werden Nabenschaltungen also attraktiver. Sie haben teilweise geringes Einbaumaß, erlauben hohe Entfaltungen, sparen den Platz unterhalb für Unterachsfaltende Lenker (wo ansonsten ein Schaltwerk stören würde) und insbesondere bei Seitenfaltern ist schaltwerksfreier Rahmen wichtig für einen sorgloseren Koffertransport. Seitenfalter erlauben auch Nabenschaltungen ohne Kettenspanner, was insgesamt diese Kombination wieder attraktiver macht.
Wie oben gezeigt gibt es aber nur wenige Nabenschaltungen die erträglich leicht sind (eigentlich nur 2, nämlich die Sturmey Archer S-RF5 mit 1090g und die Automatix mit 780g) und auch wenige, die Rotationsschaltzug haben, also beim Falten auf die Antriebsseite keinen störenden Seitenzug haben. Somit fällt eigentlich alles raus bis auf die Automatix.
Leider gibt es m.W. auch keine 3-Gang Schaltungen unter der 1 Kilo-Grenze.
Für "Spezialräder" könnte sonst noch die freilauflose Sturmey Archer S3X mit 980g geeignet sein, da sie die Hinterradbremse "einspart", ich persönlich finde sowas auch sehr interessant, aber nichts für jedermann, klar.
Einen einsamen Vertreter vieler positiven Eigenschaften baut Brompton mit seiner schmalen Kassettennabe. Sie ist mit 117mm recht schmal. Und erlaubt 2 Ritzel. Die Gewichte weiß ich leider nicht genau, sicher kein "Leichtbau", die Nabe liegt aber wohl mit 2er-Schaltwerk, Zug und Hebel bei schätzungsweise 600g. Gegegenüber der Automatix mit 780g (weiß leider nicht, ob diese Angabe incl. Ritzel ist). Insgesamt erscheint dann die Automatix mit der geringeren Einbaubreite, der unkomplizierteren Schaltbarkeit, der klaren Kettenlinier, ohne Züge, die noch etwas elegantere Lösung. Zumindest in einem Faltkonzept, dass ohne Kettenspanner auskommt.
Möchte man mehr als diese 2 Gänge, sehe ich folgende, im sonstigen Vergleich positiv gerrausstehende Lösungen: Die Sturmey Archer S-RF5, die man entweder ohne das Zugkästchen verbaut und damit die seitliche Kollision verhindert. Oder in einem Faltkonzept verbaut, dass bezüglich des Schaltkästchens nicht so kritisch ist (evtl. darauf abgestimmter Unterfalter). Oder aber man beisst in den sauren Apfel mit dem Gewicht und nimmt die 8-Gang Nexus auf 125mm Einbaubreite, oder die 11-Gang auf 130mm (letztere geht m.W. nicht in 125mm). Will man was leichtes, würde ich 1x7 innenversetzte MTB-Kettenschaltung (Rennrad Schaltwekt hat ungeeignete Zugführung) mit 11-28 Ritzel und 55er Kettenblatt empfehlen, zumindest bei 20" Reifen. Bei 16" ist die Capreo leider dann nicht zu umgehen.
Die Dual Drive ist eine andere Speziallösung. Sie hat zwar geniale Bandbreite, teilt aber die Probleme der Nabenschaltung (hohes Gewicht) plus die der Kettenschaltung (Schräglauf, Kettenführung, Platzbedarf). Kann aber sinnvoll sein, wenn man wirklich den ganz weiten Entfaltungsbereich und ohnehin einen Kettenspanner benötigt.
Mit der Frage der Schaltung hat man schließlich eine Menge Implikationen, und ein Faltrad das hier "generisch" ist, also alle Arten von Schaltungen zulässt, ist dann auf keine ordentlich ausgerichtet und verschenkt dann in jeder konkreten Konfiguration das Potenzial.