Hummingbird: Kaufmotive und Fahreindruck
Verfasst: So Mär 29, 2020 3:29 pm
Hallo zusammen,
Seit Jahren fahren meine Frau und ich in unseren Urlauben Faltrad – im Flachland ein Koga Miyata Founder S und in den Bergen ein Dahon Mu Rohloff mit besonders berggängiger Grundübersetzung. Die sind zwar schon recht gut transportabel, aber mit 12 bis 13 kg beim Aus-/Einladen oder Treppen rauf und runter nicht so ganz leicht rum zu heben. Auch das Paket gefaltet ist immer noch etwas sperrig. Für Urlaubsreisen mit einmal ein- und ausladen ok, aber als „immer dabei“ Räder nicht perfekt.
Beim Anblick der Kids in unserer Stadt, die überall mit ihren Skateboards oder Tretrollern unterwegs sind – je nach Situation unter dem Arm oder fahrend – kam mir die Vision eines superleichten und kompakten Faltrads, das man fast so leicht und selbstverständlich überall mitnehmen könnte, als Erweiterung von Öffis oder Auto auf der einen und der Füße auf der anderen Seite. Also habe ich mal eine Anforderungsliste erstellt, die meine Vorstellungen realisierbar erscheinen ließe:
Gefaltet Höhe < 60cm, Tiefe < 25cm (damit 2 davon in den Kofferraum unseres eher kleinen Autos passen)
Gewicht < 8kg
Nutzungsschwerpunkt Kurzstrecken bis ca 30 km (und zurück), Steigungen von 3 bis 5 % sollten möglich sein
Ein Brompton käme diesen Anforderungen nahe, erfüllt aber weder das Gewichtslimit noch das Kriterium eines möglichst schmalen Pakets gefaltet. Aus ähnlichen Gründen fielen das Tern BYB, das Vello und das Helix durchs Raster. Übrig blieb das britische Hummingbird. Der Preis war natürlich eine gewaltige Hürde, andererseits erschien mir meine Vision derart verlockend, dass meine Frau und ich schließlich das Sparschwein schlachteten. Die Beratung mit Patrick und Tom von Boxbike in Berlin haben mich schließlich endgültig überzeugt. Beide waren dann sehr hilfreich, da sie mich vor der Version mit 4-Gang Sturmey Archer Schaltung bewahrten, die in den Rädern der Erstlieferung unpräzise schaltete und auch nicht besser zu justieren war. Auch war Patrick sehr hilfreich mit der Klärung von Sonderwünschen mit dem Hersteller: single Speed mit Beltdrive und Anpassung an unseren Übersetzungswunsch. Wir haben uns nach Tests mit einem Schaltungsrad für eine Entfaltung von ca 4,20m entschieden – das ergibt einen Geschwindigkeitsbereich von ca 15km/h mit 60iger bis ca 23 km/h mit 90iger Kadenz und damit würden wir noch Brückenrampen und kleinere Steigungen schaffen. Also eine Art sweet spot für unseren Nutzungsschwerpunkt.
Als ich dann kürzlich die Lieferung von Boxbike ausgepackt und aufgebaut hatte, tat meine Frau spontan den entzückten Ausspruch…die sind aber hübsch – oder sagte sie chic? In der Tat – für unser ästhetisches Empfinden sind die Hummingbirds bildschön (bei Fahrradenthusiasten fährt das Auge ja mit). Ein sehr klares Design, aufs Wesentliche reduziert, wozu auch die innen verlegten Züge beitragen. Die Verarbeitung ist top – das sollte aber bei dem Preis auch so sein. Das Gewicht – gewogen im Differenzverfahren auf geeichter Badezimmerwaage (ich mit und ohne Bike) ist ca 7,2 bis 7,3 kg mit Pedalen, etwas bequemerem Sattel und Beltdrive vorne 60Z, hinten 19Z (Standard ist Kette 48/13Z).
Die ersten Fahrten: die Position der Lenkergriffe lässt sich durch die Form des Lenkers relativ zur Sattelposition jeweils ca 160mm horizontal und vertikal verstellen, sodass die Sitzposition von gemäßigt aufrecht bis gemäßigt sportlich einstellbar ist. Dann das Losfahren – das Rädchen geht ab wie Schmidts Katze, die Beschleunigungsorgie findet allerdings durch die begrenzte Höchstgeschwindigkeit leider bald ihr Ende. Der Eindruck der Leichtigkeit begeistert. Der Radstand ist mit 102cm sogar noch 4cm länger als der meines 28 Zoll Rennrads. Das Lenkverhalten ist agil aber nicht nervös. Abrollkomfort? Na ja – was man von 349er Rädern mit auf 7-8bar aufgepumpten Kojaks erwarten würde. Allerdings nicht so schlecht, wie ich im Vorfeld befürchtet hatte. Dann rauf auf eine Brückenrampe im Wiegetritt: hier zeigt sich die Qualität des CFK-Rahmens. Trotz der langen Hebelarme von Sattelstütze und Lenksäule ist das Hummingbird voll Wiegetritt tauglich, also verwindungssteif – deutlich besser als andere 16/18 Zoll Falter die ich vorher getestet hatte. Das sehr geringe Gewicht geht also nicht zu Lasten von Robustheit und Fahrtauglichkeit. Im Gegenteil, der Fahreindruck kommt dem auf meinem Rennrad sehr nahe, abgesehen natürlich von Höchstgeschwindigkeit und Schlaglochtauglichkeit. Es gibt aber auch Schwächen. Die Seitenzugbremsen sind nicht mehr zeitgemäß, die Wirkung der HR-Bremse ist absolut unzureichend. Vielleicht ist dies mit anderen Bremsschuhen noch zu bessern. Die VR-Bremse ist für die Verwendungszweck des Bikes zumindest bei trockenem Wetter ok, bei Nässe noch nicht getestet. Der mitgelieferte Sattel ist zumindest für unsere zarten Gesäße ab 20 km ein Folterinstrument, habe ich bei meiner Frau durch Ergon ST Core und bei mir durch Ergon SRX-3M ersetzt. Die Plattform der Steckpedale ist etwas klein.
Das Falten geht leicht und schnell von der Hand: Hinterbau nach vorne einklappen, Lenksäule nach unten Falten, Sattelstütze bis zum Boden einschieben, Faltpedale herausziehen und in die Aufnahmeöffnungen im Hinterbau stecken – fertig. Maße H x L x T: 60x116x20cm. Wenn man das Vorderrad per Schnellspanner entfernt, wird das Paket um 19cm verkürzt.
Helge 29. März 2020
PS: leider gelingt es mir nicht, Fotodateien anzufügen
Seit Jahren fahren meine Frau und ich in unseren Urlauben Faltrad – im Flachland ein Koga Miyata Founder S und in den Bergen ein Dahon Mu Rohloff mit besonders berggängiger Grundübersetzung. Die sind zwar schon recht gut transportabel, aber mit 12 bis 13 kg beim Aus-/Einladen oder Treppen rauf und runter nicht so ganz leicht rum zu heben. Auch das Paket gefaltet ist immer noch etwas sperrig. Für Urlaubsreisen mit einmal ein- und ausladen ok, aber als „immer dabei“ Räder nicht perfekt.
Beim Anblick der Kids in unserer Stadt, die überall mit ihren Skateboards oder Tretrollern unterwegs sind – je nach Situation unter dem Arm oder fahrend – kam mir die Vision eines superleichten und kompakten Faltrads, das man fast so leicht und selbstverständlich überall mitnehmen könnte, als Erweiterung von Öffis oder Auto auf der einen und der Füße auf der anderen Seite. Also habe ich mal eine Anforderungsliste erstellt, die meine Vorstellungen realisierbar erscheinen ließe:
Gefaltet Höhe < 60cm, Tiefe < 25cm (damit 2 davon in den Kofferraum unseres eher kleinen Autos passen)
Gewicht < 8kg
Nutzungsschwerpunkt Kurzstrecken bis ca 30 km (und zurück), Steigungen von 3 bis 5 % sollten möglich sein
Ein Brompton käme diesen Anforderungen nahe, erfüllt aber weder das Gewichtslimit noch das Kriterium eines möglichst schmalen Pakets gefaltet. Aus ähnlichen Gründen fielen das Tern BYB, das Vello und das Helix durchs Raster. Übrig blieb das britische Hummingbird. Der Preis war natürlich eine gewaltige Hürde, andererseits erschien mir meine Vision derart verlockend, dass meine Frau und ich schließlich das Sparschwein schlachteten. Die Beratung mit Patrick und Tom von Boxbike in Berlin haben mich schließlich endgültig überzeugt. Beide waren dann sehr hilfreich, da sie mich vor der Version mit 4-Gang Sturmey Archer Schaltung bewahrten, die in den Rädern der Erstlieferung unpräzise schaltete und auch nicht besser zu justieren war. Auch war Patrick sehr hilfreich mit der Klärung von Sonderwünschen mit dem Hersteller: single Speed mit Beltdrive und Anpassung an unseren Übersetzungswunsch. Wir haben uns nach Tests mit einem Schaltungsrad für eine Entfaltung von ca 4,20m entschieden – das ergibt einen Geschwindigkeitsbereich von ca 15km/h mit 60iger bis ca 23 km/h mit 90iger Kadenz und damit würden wir noch Brückenrampen und kleinere Steigungen schaffen. Also eine Art sweet spot für unseren Nutzungsschwerpunkt.
Als ich dann kürzlich die Lieferung von Boxbike ausgepackt und aufgebaut hatte, tat meine Frau spontan den entzückten Ausspruch…die sind aber hübsch – oder sagte sie chic? In der Tat – für unser ästhetisches Empfinden sind die Hummingbirds bildschön (bei Fahrradenthusiasten fährt das Auge ja mit). Ein sehr klares Design, aufs Wesentliche reduziert, wozu auch die innen verlegten Züge beitragen. Die Verarbeitung ist top – das sollte aber bei dem Preis auch so sein. Das Gewicht – gewogen im Differenzverfahren auf geeichter Badezimmerwaage (ich mit und ohne Bike) ist ca 7,2 bis 7,3 kg mit Pedalen, etwas bequemerem Sattel und Beltdrive vorne 60Z, hinten 19Z (Standard ist Kette 48/13Z).
Die ersten Fahrten: die Position der Lenkergriffe lässt sich durch die Form des Lenkers relativ zur Sattelposition jeweils ca 160mm horizontal und vertikal verstellen, sodass die Sitzposition von gemäßigt aufrecht bis gemäßigt sportlich einstellbar ist. Dann das Losfahren – das Rädchen geht ab wie Schmidts Katze, die Beschleunigungsorgie findet allerdings durch die begrenzte Höchstgeschwindigkeit leider bald ihr Ende. Der Eindruck der Leichtigkeit begeistert. Der Radstand ist mit 102cm sogar noch 4cm länger als der meines 28 Zoll Rennrads. Das Lenkverhalten ist agil aber nicht nervös. Abrollkomfort? Na ja – was man von 349er Rädern mit auf 7-8bar aufgepumpten Kojaks erwarten würde. Allerdings nicht so schlecht, wie ich im Vorfeld befürchtet hatte. Dann rauf auf eine Brückenrampe im Wiegetritt: hier zeigt sich die Qualität des CFK-Rahmens. Trotz der langen Hebelarme von Sattelstütze und Lenksäule ist das Hummingbird voll Wiegetritt tauglich, also verwindungssteif – deutlich besser als andere 16/18 Zoll Falter die ich vorher getestet hatte. Das sehr geringe Gewicht geht also nicht zu Lasten von Robustheit und Fahrtauglichkeit. Im Gegenteil, der Fahreindruck kommt dem auf meinem Rennrad sehr nahe, abgesehen natürlich von Höchstgeschwindigkeit und Schlaglochtauglichkeit. Es gibt aber auch Schwächen. Die Seitenzugbremsen sind nicht mehr zeitgemäß, die Wirkung der HR-Bremse ist absolut unzureichend. Vielleicht ist dies mit anderen Bremsschuhen noch zu bessern. Die VR-Bremse ist für die Verwendungszweck des Bikes zumindest bei trockenem Wetter ok, bei Nässe noch nicht getestet. Der mitgelieferte Sattel ist zumindest für unsere zarten Gesäße ab 20 km ein Folterinstrument, habe ich bei meiner Frau durch Ergon ST Core und bei mir durch Ergon SRX-3M ersetzt. Die Plattform der Steckpedale ist etwas klein.
Das Falten geht leicht und schnell von der Hand: Hinterbau nach vorne einklappen, Lenksäule nach unten Falten, Sattelstütze bis zum Boden einschieben, Faltpedale herausziehen und in die Aufnahmeöffnungen im Hinterbau stecken – fertig. Maße H x L x T: 60x116x20cm. Wenn man das Vorderrad per Schnellspanner entfernt, wird das Paket um 19cm verkürzt.
Helge 29. März 2020
PS: leider gelingt es mir nicht, Fotodateien anzufügen