Ich fahre seit ewigen Zeiten (2005) ein Birdy, lese auch neugierig mit, was es bei Riese und Müller so an Neuigkeiten/Änderungen gibt – aber da meins bisher ohne größere Mucken funktioniert, weiß ich normalerweise wenig über die Feinheiten bei anderen Modellen.
Osis Problem fand ich interessant, weil ich schon lange auch immer Räder mit Naben/Kettenschaltung von Sachs hatte. Zunächst war es eine Sachs Orbit (2 Gang Nabenschaltung – und 5/6 Gang Kettenschaltung inkl. Trommelbremse – mein Vater hatte dann eine Sachs Spectro 3 x 7 an seinem E-Bike und ich später Dualdrive II und III an meinen Falträdern.
Die seltsame Lösung an Osis Rad ließ mir dann auch keine Ruhe. Außerdem (das kenne ich ja aus zahlreichen Umbauten an meinen Falträdern) lernt man auf diese Weise die typischen Problemzonen am Faltrad besser kennen. Motto; Du löst ein Problem und schaffst Dir gleich drei neue, weil Du die verschiedenen Falt-
und Fahrzustände des Rades nicht mit bedacht hast.
Ich erinnere mich noch schwach daran, dass es für mich 2005 mehrere Gründe gab, ein Birdy Grey (mit Rohloff Nabe) zu kaufen und kein Birdy blue – das doch erheblich günstiger gewesen wäre.
Ich hab mich also erst einmal durch die Artikel mehrerer Birdy Umbauten und Erfahrungsberichte zum Birdy Blue/Touring gelesen. Und kann hier nun aus dem (angelesenen) Nähkästchen plaudern.
Das Birdy mit 21/24 Gang Naben/Ketten Schaltung hieß früher Birdy Blue – später Birdy Touring.
Es war zunächst mit einer Sachs/SRAM 3 x 7 Schaltung ausgestattet, dann mit einer Dual Drive II, später mit einer Shimano Intego und dann mit einer Dual Drive III.
Das Problem bei diesem Birdy Modell ist der Faltvorgang - in Verbindung mit den Entwicklungen bei Sachs/SRAM. Beim Falten muss die Kette zusätzlich gespannt werden. Das wird über einen Kettenspanner bei Nabenschaltungen und über das Schaltwerk bei Kettenschaltungen gewährleistet. Um die Kette zu spannen muss im Schaltwerk oben eine kräftige Feder vorhanden sein – zusätzlich wird am Ende ein verlängernder Bügel eingesetzt, der nur im gefalteten Zustand wirksam ist.
(erst die neuen Birdys seit Mitte 2015 nutzen eine gänzlich andere Spannvorrichtung)
Nachdem Sachs von SRAM aufgekauft wurde, sollten die Schaltungen leichtgängiger werden und anwendungsfreundlicher für den Kunden. Bei der Nabenschaltung sitzt die Feder für die Umschaltung der Gänge in der Nabe. Der Schalthebel am Lenker arbeitet über den Schaltzug und die Umlenkung an der Kettenleitmutter gegen diese Feder. Wenn hier eine schwächere Feder eingesetzt werden soll, dann müssen die Reibkräfte im System geringer werden. Es wurden daher bessere Züge verbaut und die früher bei der 3 x 7 verbaute Kettenleitmutter wurde zunächst durch eine Umlenkung mit Rolle ersetzt (Emilemils gelber Knubbel). Es bleibt aber ein hochkomplizierter Radausbau, der jedes Mal eine Justage der Schaltung erfordert. Diese Version nannte sich dann Sachs Spectro 3 x 7.
Daher wurde in einem zweiten Schritt die Click Box eingesetzt. Ihr Vorteil ist eine leichte Demontierbarkeit ohne Neujustage des Schaltzuges und eine optische Einstellhilfe für das (immer mal notwendige) Nachstellen des Zuges.
Diese Box baut jedoch ziemlich weit vor und ist daher potentiell bruchgefährdet. Es gab und gibt dafür jedoch eine an die Achse zu schraubende Schutzstrebe. Die Nabe selbst wurde geringfügig modifiziert (belastbarer und leichter unter Teillast zuschalten) und fortan als Dual Drive verkauft.
Alle Dual Drive Naben der zweiten Generation (21/24 und 27 Gang) haben FG 10,5 mm – das ist wichtig für die Achsmutter/Kettenleitmutter.
Beim Birdy Blue/Touring hatte das zwei Folgen. Die Dual Drive Griffe verlangen ein ESP Schaltwerk. SRAM hatte zu der Zeit jedoch noch keine Shimano kompatiblen rechten Hebel angeboten. Es musste daher ein anderes Schaltwerk (Shimano Deore) eingesetzt werden. Das führte dann u.a. zu der Sonderlösung mit der geänderten Schaltrichtung am linken Hebel für die Nabe. Als Radhersteller eines teuren Rades möchte man ja mindestens zwei gleichartige Schalthebel vorne am Lenker verbauen.
Die Click Box ist für das Birdy zu dick – das führt (je nach Ausstattung mit Lowrider) mehr oder weniger zu Konflikten mit dem Vorderrad im gefalteten Zustand. Es steht dann etwas ab und vergrößert das Faltmaß. Ob auch der „gelbe Knubbel“ schon zu groß ist, konnte ich bisher nicht raus finden.
Es gab aber für die Dual Drive nix anderes mehr als die Click Box. Genau das ist der Grund für die Sonderlösung (nicht nur an) an Osis Rad.
Die späteren Räder hatten dann die Shimano Intego, die schmaler baut. Shimano hat keine Zugstange, sondern eine Schubstange – lenkt also in der Box einfach um. Leider hat die sich nicht gut verkauft und wurde nach einigen Jahren wieder eingestellt. Es musste also wieder eine neue/alte Lösung her - diesmal für die Dual Drive III her. Mittlerweile gab es ja auch schicke Hebel und Drehgriffe aus dem Hause SRAM dafür. Und auch Shimano kompatible. Vor dem Hintergrund kann man auch verstehen, dass nunmehr nach Auslaufen der Dual Drive III - Riese und Müller die Schnauze wohl endgültig voll hatten und dieses Naben/Kettenschaltungsgedöns nicht mehr anbieten wollen. Denn der ganze Aufwand ist für einen Hersteller ja nicht gerade trivial in der Fertigung oder billig im Vertrieb.
Es gibt damit vier mögliche (fertige) Lösungen.
1. eine kurze Kettenleitmutter FG 10,5 verbauen und eventuell versuchen die Schaltstange gegen eine mit Zugkettchen aus der Sachs Spectro 3 x 7 austauschen. Denn das jetzt verbaute Seil wird nicht so gut über die Kettenleitmutter gleiten wie die Zugkette. Vorausgesetzt, die sind gleich lang und das Gewinde am Ende ist gleich – was ich nicht weiß. Die Kettchen der Sachs Orbit passen nicht auf die 3x7 – die haben definitiv ein anderes Gewinde. Sie sind aber alle nicht teuer – so dass Ausprobieren lohnt.
http://moobilo.de/fahrrad/fahrradersatz ... 06187.html
2. aus der Dreigangnabe von SRAM der T3 eine Aufbaumutter FG 10,5 verbauen, den gelben Knubbel aufsetzen und das alte Zugseil oder ein Zugkettchen der Sachs Spectro 3 x 7 benutzen. Sofern das nicht mit dem Vorderrad kollidiert, wäre das die bessere – weil reibungsarme Lösung. Wenn das klappt – wäre die spannende Frage warum R+M das nicht gemacht hat.
3. Es doch einfach mit der Sachs Originallösung versuchen und schlicht die Schaltstange und die Click Box verbauen. Dann sollte Osis aber die beiden folgenden Artikel hier lesen
http://birdy-freunde.de/birdy/bugs.html (weiter unten, unter der Überschrift „Falten des Birdy blue Modelljahr 2003“)
http://birdy-freunde.de/mybirdy/red2blue.html (Umbau Birdy Red auf Dual Drive)
und den im ersten Artikel empfohlenen Gummipuffer installieren.
4. Wie Beispiel 3.2 zeigt, gibt es noch Radläden mit dem guten alten "Graukittel" am Tresen, der mehr kann als Kartons aufmachen und Edelkaffeemaschinen bedienen. Wenn man so einen findet - spart man das umständliche Ausprobieren zu Hause. Der wird bestimmt noch Teile in seinen Schubläden haben. Zweirad Vogel in Dinslaken war mal so ein (etwas größerer) Fachhändler mit angeschlossener Moppedwerkstatt. (War schon länger nicht mehr dort.)
Das zeigt mir auch wieder einmal, dass solche „exotischen“ Artikel über Faltrad Umbauten und Sonderlösungen manchmal noch nach Jahren einen hohen Nutzen für andere haben. Mit ein Grund, warum ich das von Superfalter betriebene Faltradforum nach wie vor schätze.
Gruß
Udo