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Re: Radfahren in Berlin

Verfasst: Di Okt 13, 2015 10:16 pm
von Pibach
berlinonaut hat geschrieben: "In der Innenstadt haben 52,6 Prozent der Haushalte kein Auto"
Jetzt fehlt noch, wie sich das auf die Alltagsradler aufteilt.

Re: Radfahren in Berlin

Verfasst: Di Okt 13, 2015 10:36 pm
von berlinonaut
Pibach hat geschrieben:
berlinonaut hat geschrieben: Also "will", nicht "kann".
Naja, wie gesagt, das ist ne Mischung. Komfort, Zeit, Kosten, Familien- und Einkäufetransport. Und Gewohnheit.

Wenn Du die Fixkosten als Sunk Costs wegrechnest, liegt das Auto bei allen obigen Faktoren aber klar besser als ÖPNV. Und das Fahrrad ist vielen zw. Nov-April nicht wetterfest genug.
Das sind Komfortgesichtspunkte und teilweise mag ein Auto sogar ökonomisch vernünftig sein. Objektive Unmöglichmacher sind es nicht, deswegen "will", nicht "kann". Hat ja keiner gesagt dass der Autoverzicht immer genauso komfortabel sein muss wie heute der Autobesitz. Deswegen führt ein möglicher Weg zum Rad über unkomfortabler machen von Autos. Dazu genügte vollkommen, die heute (bzw. seit ewig) offiziell geltenden Verkehrsregeln in Sachen Parken, Geschwindigkeit, Handynutzung etc. durchzusetzen. Wenn man darüber hinaus die Verhältnisse der Verkhersflächen zu den Verkehrsmitteln anpassen würde - also z.B. für Autoverkehr incl. Parkflächen in der Innenstadt nur 17% der Verkehrsfläche zur Verfügung stünden hättest Du ganz schnell ein geändertes Nutzungsverhalten. Der Komfortvorteil der Autonutzung resultiert nicht zuletzt aus der Vorzugsbehandlung dieses Verkehrsmittels in den letzten 50+ Jahren. Bei Gleichbehandlung relaviert sich das sehr deutlich.
Man kann keine Veränderung erreichen wenn man nichts ändert...
Pibach hat geschrieben:Und fürs abendliche (aufgebrezelte) Weggehen gibts auch Engpässe.
Btw.: Taxis existieren. Und Car2Go und Co auch. Und auch in Abendgarderobe kann man S-Bahn fahren...

Re: Radfahren in Berlin

Verfasst: Di Okt 13, 2015 10:45 pm
von Pibach
berlinonaut hat geschrieben:deswegen "will", nicht "kann".
Da hast Du eine etwas ungewöhnliche Verwendung der Begriffe.

Re: Radfahren in Berlin

Verfasst: Di Okt 13, 2015 10:51 pm
von berlinonaut
Pibach hat geschrieben:Da hast Du eine etwas ungewöhnliche Verwendung der Begriffe.
Nö.

http://www.duden.de/rechtschreibung/koennen
kön­nen

Wortart: unregelmäßiges Verb

- imstande sein, etwas zu tun; etwas zu tun vermögen
- (aufgrund entsprechender Beschaffenheit, Umstände o. Ä.) die Möglichkeit haben, etwas zu tun
- aufgrund bestimmter Umstände die Berechtigung zu einem Verhalten o. Ä. haben; in bestimmten Gegebenheiten die Voraussetzungen für ein Verhalten o. Ä. finden
- schwächer als »dürfen«; insofern es freisteht, zugelassen ist, die Möglichkeit haben, etwas zu tun
- möglicherweise der Fall sein, in Betracht kommen
- fähig, in der Lage sein, etwas auszuführen, zu leisten; etwas beherrschen
- in bestimmter Weise zu etwas fähig, in der Lage sein
- die Möglichkeit, Erlaubnis haben, etwas zu tun; dürfen
- (umgangssprachlich) weiterhin Kraft zu etwas haben

Re: Radfahren in Berlin

Verfasst: Mi Okt 14, 2015 11:02 am
von berlinonaut
berlinonaut hat geschrieben:
Pibach hat geschrieben: Problem bleibt aber, dass man das Auto nicht so leicht abschaffen kann.
Doch, geht ganz leicht: Auto verkaufen, verschenken oder verschrotten - schon ist es weg. Also vielleicht besser "kann" durch "will" ersetzen... Das ist nämlich das eigentliche Problem. Die Zeiten, wo ein Auto nicht zu den Standardbesitztümern gehörte sind noch nicht so furchtbar lange her und da ging es ja auch. Schau Dir mal Fotos aus den 60ern aus Berlin an...
Mal exemplarisch Fotos aus Kreuzberg aus den 50er - 80er Jahren (zitert aus der Galerie mit Leserbildern von hier: http://www.tagesspiegel.de/mediacenter/ ... 72764.html ):

Oranienstrasse:

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Bergmannkiez:

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Adalbertstrasse in den 50ern

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Naunynstrasse in den 80ern:

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Und jetzt guck Dir diese Strassen im Vergleich mal heute an hinsichtlich der Menge an geparkten Autos...

Re: Radfahren in Berlin

Verfasst: Mi Okt 14, 2015 11:25 am
von katapult
berlinonaut hat geschrieben: Das sind Komfortgesichtspunkte und teilweise mag ein Auto sogar ökonomisch vernünftig sein. Objektive Unmöglichmacher sind es nicht, deswegen "will", nicht "kann". Hat ja keiner gesagt dass der Autoverzicht immer genauso komfortabel sein muss wie heute der Autobesitz. Deswegen führt ein möglicher Weg zum Rad über unkomfortabler machen von Autos. Dazu genügte vollkommen, die heute (bzw. seit ewig) offiziell geltenden Verkehrsregeln in Sachen Parken, Geschwindigkeit, Handynutzung etc. durchzusetzen. Wenn man darüber hinaus die Verhältnisse der Verkhersflächen zu den Verkehrsmitteln anpassen würde - also z.B. für Autoverkehr incl. Parkflächen in der Innenstadt nur 17% der Verkehrsfläche zur Verfügung stünden hättest Du ganz schnell ein geändertes Nutzungsverhalten. Der Komfortvorteil der Autonutzung resultiert nicht zuletzt aus der Vorzugsbehandlung dieses Verkehrsmittels in den letzten 50+ Jahren. Bei Gleichbehandlung relaviert sich das sehr deutlich.
Man kann keine Veränderung erreichen wenn man nichts ändert...
Alles richtig. Dazu kommt noch, daß das Auto mittels Pendlerpauschale massiv subventioniert wurde. Wer nicht autogefahren ist war ja blöd. Die heutige Fahrrad- und Fussgängerfeindliche Infrastruktur, bestehend aus einer Oberflächenbeschichtung der Landschaft mit Einfamilienhaussiedlungen, Autobahnkreuzen und Einkaufszentren ist ebenfalls diesem Steuerungsinstrument geschuldet. Diesen Prozess kann man aber genauso gut umkehren. Vorraussetzung dafür ist allerdings der politische Wille.
Die Dänen fahren Rad weil es schnell und billig ist, und das auch im Winter. Vorraussetzung ist aber ein über Jahrzehnte durchgehaltenes Programm zur Neuverteilung des öffentlichen Raumes, unter besonderer Berücksichtigung der Aufenthaltsqualitäten. Der Schlüssel für die Lebenswerte Stadt ist dabei das beschneiden der Privilegien für den Autoverkehr. Wie sagt Jan Gehl so schön: Wer Stellplätze säht wird Verkehr ernten.

Re: Radfahren in Berlin

Verfasst: Mi Okt 14, 2015 5:48 pm
von katapult
Bei historischen Aufnahmen fällt mir natürlich immer dieser Film von ca. 1905 ein:
http://www.loc.gov/item/00694408
Man sieht sehr schön wie urbane Mobiltität funktionieren kann, wenn man das Geschwindikeitsniveau homogenisiert und auf eine privilegierte Flächenzuweisung verzichtet.
Die Einwohnerzahl betrug damals 340.000 (1900) bzw. 415.000 (1910).

Re: Radfahren in Berlin

Verfasst: Mi Okt 14, 2015 7:12 pm
von Pibach
berlinonaut hat geschrieben: Das sind Komfortgesichtspunkte und teilweise mag ein Auto sogar ökonomisch vernünftig sein. Objektive Unmöglichmacher sind es nicht, deswegen "will", nicht "kann".
Man orientiert "nicht können" aber nicht an "objektiven Unmöglichmachern", sondern an den Umständen.
"Nicht wollen" bezieht sich dagegen auf (irrationale) Ablehnung.

Re: Radfahren in Berlin

Verfasst: Mi Okt 14, 2015 7:27 pm
von Pibach
berlinonaut hat geschrieben:Deswegen führt ein möglicher Weg zum Rad über unkomfortabler machen von Autos.
Durchaus. Würde aber den Verkehr für Autofahrer deutlich ineffizienter machen. Und das gäbe politischen Widerstand. Insgesamt derzeit (noch?) nicht realistisch. Finde das auch nicht elegant oder sympatisch.
Ich finde es besser, die Alternativen attraktiver zu machen. Und die Ressourcen (u.a. Auto, Verkehrsflächen, ÖPNV) effizienter einzusetzen.
Der Komfortvorteil der Autonutzung resultiert nicht zuletzt aus der Vorzugsbehandlung dieses Verkehrsmittels in den letzten 50+ Jahren. Bei Gleichbehandlung relaviert sich das sehr deutlich.
Absolut. Sehe ich auch so.

Allerdings liegt das auch an den betriebswirtschaftlichen Konzepten. Also Besitzmodell des Autos mit hohen Fixkosten. Monopolisierte Bahn/ÖPNV/Taxi, die sich selbst an den Rand gewirtschaftet haben. Und Abomodelle, die sich nicht bei Einzelstrecken rechnen und damit Seltennutzer und potenzielle Umsteiger ausblocken.

So schlägt das Auto eben (fast) immer diese Alternativen - es sei denn man schafft es ganz ab.
Btw.: Taxis existieren. Und Car2Go und Co auch. Und auch in Abendgarderobe kann man S-Bahn fahren...
Klar. Hat aber alles (auch) Nachteile.

Re: Radfahren in Berlin

Verfasst: Mi Okt 14, 2015 9:55 pm
von berlinonaut
Pibach hat geschrieben:
berlinonaut hat geschrieben: Das sind Komfortgesichtspunkte und teilweise mag ein Auto sogar ökonomisch vernünftig sein. Objektive Unmöglichmacher sind es nicht, deswegen "will", nicht "kann".
Man orientiert "nicht können" aber nicht an "objektiven Unmöglichmachern", sondern an den Umständen.

"Man" = Du?
Nicht können kann bedeuten

- nicht die Fähigkeit haben
- nicht die Erlaubnis haben
- nicht die Möglichkeit haben (objektiv)

Nichts davon trifft zu. Und zahlreiche Menschen leben ohne Auto, auch und gerade in Berlin - geht also. Folglich ist "nicht können" unzutreffend, sondern "nicht wollen" richtig. Vielleicht aus guten Gründen, das ist unbenommen - aber die freie Willensentscheidung ist nicht eingeschränkt. Sich auf "nicht können" zurückzuziehen ist also eine Ausrede bzw. Schutzbehauptung, in aller Regel aus Komfortgründen, aus Faulheit oder aus Angst.
Pibach hat geschrieben:"Nicht wollen" bezieht sich dagegen auf (irrationale) Ablehnung.
Dazu solltest Du mal Herrn Kant fragen... Nicht wollen ist nicht irrational sondern eine freie Willensentscheidung, ohne jede Wertung ob die richtig oder falsch, gut oder schlecht ist. Und der freie Wille ist das, was nach landläufiger Meinung den Menschen vom Tier unterscheidet. Er ist also was Wertvolles und Gutes. Wer also den freien Willen negiert macht es sich bequem, drückt sich vor der Verantwortung für sein Handeln - und macht sich damit letzten Endes selbst zum fremdbestimmten oder triebgesteuerten Wesen - quasi vom Mensch zum Tier. Finde ich weder angemessen noch erstrebenswert...