Updates| Bilder|Videos |Shop

Reload nach langer Pause. Sorry dafür.

Überproduktion Autos

Alles zum Thema Faltrad/Rad.
berlinonaut
Beiträge: 1763
Registriert: So Okt 13, 2013 9:41 pm
Faltrad 1: Brompton M8RD
Faltrad 2: Bickerton Sterling X
Faltrad 3: Brompton SH2Lx
Geschlecht: m
Status: FALTradfahrer
Wohnort: Berlin

Re: Überproduktion Autos

Beitrag von berlinonaut »

alterfalter2 hat geschrieben: Das hoffe ich sehr - auf Wiedereröffnung stillgelegter Bahntrassen!
Ich fürchte das bleibt Wunschdenken - der Zug ist sozusagen abgefahren. Viele der ehemaligen Trassen sind mittlerweile zu Umgehungsstrassen oder Radwanderwegen umgewidmet. Das ist de Facto unwiderruflich. Die Bahn hat einen immensen Sarnierungsbedarf für noch in Betrieb befindliche Trassen und Brücken, der realistisch schon schwer zu stemmen ist, fährt die Infrastruktur weiter auf Verschleiss und investiert lieber in fremden Ländern und Geschäftsfeldern. Auch der Wille zur Fläche ist weder bei der Bahn noch beim Bund als Eigentümer zu erkennen. Personal und Material für diese Strecken gibt es auch nicht mehr und auch die Bahnhöfe selbst sind mindestens teilweise verkauft. Der Güterverkehr ist auf der Strasse und die Post hat in den 90ern ihre Frachtpostzentren fernab von Bahnlinien gebaut und ganz auf den LKW gesetzt. Jetzt wo fünf Trümpf ist. :lol: Die Bahn hat sich seit Jahren dem Glauben verschrieben, Menschen würden im Wesentlichen von einer Grossstadt zur anderen reisen, sich auf die Fernstrecken konzentriert und vielfach die Nebenstrecken aufgegeben und ganze Landstriche von der Schiene abgehängt. Wieso jemand das toll oder auch nur akzeptabel finden soll, per Luxus ICE von einer Grosstadt zur nächsten zu reisen (im Idealfall auch noch 1.Klasse) um dann die letzen 100 km zu seinem Ziel mit dem bahntechnischen Äquivalent eines siffigen indischen Sammeltaxis zu fahren, nachdem er auf einem zugigen Bahnhof in der Wartezeit sich ein Ästhetiktrauma nebst einer Erkältung abgeholt hat und eine praktische Vorführung der ortsüblichen Trinkgewohnheiten erlebt bleibt auch das Geheimnis der Bahnstrategen.

Die Industriebetriebe auf dem Land, die noch per Schiene beliefert werden sind oft die Letzten, wegen denen eine Strecke noch aufgehalten wird (für den Güterverkehr) und die zittern alle Jahre wieder und mit ihnen ihre Kommunen, die auch noch auf ein Umdenken hoffen. Die einst hervorragende Bahninfrastruktur mit annähernd flächendeckender Versorgung wurde systematisch zerstört und auf dem Altar von ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecken geopfert, die die Bahn als Konkurrenz zum Flugzeug aubauen sollten. Tolle Idee. :evil:

Ich finde es immer noch erstaunlich, dass man in den 70er und 80er Jahren per Bahn problemlos, komfortabel (und sogar halbwegs bezahlbar) durch's Land fahren konnte von einer Kleinstadt zur nächsten und überall gab es Bahnhöfe mit Personal und sauberem geheiztem Wartesaal. Ja, damals war die Bahn defizitär, aber sie hat funktioniert. Heute ist Bahnfahren durch ein komplexes Preissystem sehr teuer (zumindest für diejenigen, die nicht lange im Voraus buchen können), die Pünktlichkeit ist unter aller Kanone und durch die Ausdünnung der Strecken auf dem Land braucht man trotz ICE teilweise länger zu seinem Ziel als früher mit IC und Kursbuch. Wenn man überhaupt noch hinkommt. Alleinstellungsmerkmale wie der Schlafwagen werden erst preislich in surreale Höhen geschraubt und gleichzeitig immer mehr eingeschränkt von Komfort und Verfügbarkeit, Autoreisezüge abgeschafft trotz voller Buchungsbücher, weil die Technik zu Tode geritten ist und kein Wille zur Investition vorhanden. Immerhin: Das Personal ist zumeist freundlicher als früher, kompetenter und der Speisewagen ist kein Mordanschlag mehr sondern nur noch schlecht und teuer.

Die kleinen privaten Bahnen zeigen, dass es auch richtig gut geht - wann immer ich mit denen gefahren bin war ich mehr als zufrieden. Neulich fuhr ich bahnstreikbedingt mit dem Fernbus von Frankfurt nach Berlin. 29 Euro (trotz streikbedingt höherer Ticketpreise) bei Buchung am Tag zuvor statt 80 Euro mit Bahncard 50 ist 'ne Ansage. 8 Stunden Fahrzeit statt knapp 5 leider auch. Würde ich nicht jeden Tag haben wollen, für den Preisunterschied kann man aber zumindest privat darüber nachdenken.

Wenn der Bund als Eigentümer der Bahn die Vorgabe machen und das politische Ziel setzen würde, die Bahn als flächendeckende Rumpfalternative zum Individualverkehr per PKW zu etablieren incl. Satellitenanbindung am Streckenende, z.B. per bundesweit günstig an jedem Bahnhof verfügbarem intelligentem Carsharing - dann könnte das in 20 Jahren wieder was sein. Und wenn dann die Pünktlichkeit der Japaner und das Preissystem der Schweizer eingeführt würde wär das sogar richtig gut. Das glaub ich aber erst wenn ich es sehe....
Zuletzt geändert von berlinonaut am Mo Dez 08, 2014 9:04 pm, insgesamt 1-mal geändert.
berlinonaut
Beiträge: 1763
Registriert: So Okt 13, 2013 9:41 pm
Faltrad 1: Brompton M8RD
Faltrad 2: Bickerton Sterling X
Faltrad 3: Brompton SH2Lx
Geschlecht: m
Status: FALTradfahrer
Wohnort: Berlin

Re: Überproduktion Autos

Beitrag von berlinonaut »

Motte hat geschrieben:In dem Fall meinte ich auch "verunstaltet". Weil vor 100 Jahrern jedes Nest (für teuer Geld und mit z.T. unsinniger Streckenführung) an die Bahn angekoppelt wurde.
Früher war ein Bahnhof ein Garant für Wohlstand und wirtschaftlichen Aufschwung. Sozusagen wie im wilden Westen. Da ging es nicht um Wirtschaftlichkeit sondern um Wirtschaftswunder - die Massenmotorisierung war ja noch einige Jahre entfernt... Nachdem der Kult ums eigene Auto zumindest bei der jetzt nachwachsenden Generation lange nicht mehr so eminent ist wie noch vor einigen Jahren könnte die Bahn wieder eine Alternative werden. Wenn sie denn Komfort, Reisezeit, Zugänglichkeit und Kosten bieten würde, die sie zu einer solchen machten. Die Chancen steigen vielleicht mit den Spritpreisen. ;)
alterfalter2
Beiträge: 1392
Registriert: Do Mär 29, 2012 9:09 pm
Faltrad 1: Brompton M RD10
Faltrad 2: BikeFriday PocketLla
Geschlecht: m
Geburtsjahr: 1952
Wohnort: Hamburg

Re: Überproduktion Autos

Beitrag von alterfalter2 »

@ Motte
"Aber die Leute haben nun mal Autos.."

..noch..! Das Interesse daran verschwindet in der nachwachsenden Generation der jetzt ca. 30-jährigen deutlich, jedenfalls bei Stadtbewohnern.
Ich sehe das bei meiner eigenen Verwandtschaft und deren Freunden: das Auto als Statussymbol hat ausgedient, wird als unnötiger Ballast empfunden, das man nicht mal geschenkt haben möchte (es sei denn, man dürfte es dann sogleich weiter verkaufen), Car-Sharing Autos stehen an jeder Ecke, die braucht man nicht mal zu betanken, geschweige denn zu warten und pflegen und einen garantierten Parkplatz bekommt man gleich mit dazu. Dafür kostet das dann schon mal etwas.. Macht nichts, denn man nutzt sonst Öffi´s und sein Falt-(fahr)Rad.
Ich höre das immer häufiger von meinen inzwischen erwachsenen Nachfahren, manch einer (und immer mehr) aus meinem und deren Bekanntenkreis macht noch nicht mal einen Führerschein, ist nutzlos und uncool und zudem zu teuer.
Das ist eine tröstliche Entwicklung - man merkt noch nicht viel davon, aber das entwickelt sich, da bin ich mir sicher.

Gruß TIL
Drood
Beiträge: 79
Registriert: Sa Apr 26, 2014 9:50 pm
Geschlecht: w
Geburtsjahr: 1967
Status: FALTradfahrer

Re: Überproduktion Autos

Beitrag von Drood »

berlinonaut hat geschrieben:Wieso jemand das toll oder auch nur akzeptabel finden soll, per Luxus ICE von einer Grosstadt zur nächsten zu reisen (im Idealfall auch noch 1.Klasse) um dann die letzen 100 km zu seinem Ziel mit dem bahntechnischen Äquivalent eines siffigen indischen Sammeltaxis zu fahren, nachdem er auf einem zugigen Bahnhof in der Wartezeit sich ein Ästhetiktrauma nebst einer Erkältung abgeholt hat und eine praktische Vorführung der ortsüblichen Trinkgewohnheiten erlebt bleibt auch das Geheimnis der Bahnstrategen.
Sehr sehr geniale Zusammenfassung der Tatsachen :mrgreen:

Gruß Silke
Pibach
Moderator
Beiträge: 8367
Registriert: Mi Aug 05, 2009 10:09 pm
Faltrad 1: Dahon Mu Ex
Faltrad 2: Dahon Mu Singlespeed
Faltrad 3: Gotway MCM V3
Geschlecht: m
Geburtsjahr: 1968
Status: FALTradfahrer
Wohnort: Berlin

Re: Überproduktion Autos

Beitrag von Pibach »

Die verklärte Idee der flächendeckenden Grundversorgung ist doch mit Ursache für die Ineffizienz der Bahn.
berlinonaut
Beiträge: 1763
Registriert: So Okt 13, 2013 9:41 pm
Faltrad 1: Brompton M8RD
Faltrad 2: Bickerton Sterling X
Faltrad 3: Brompton SH2Lx
Geschlecht: m
Status: FALTradfahrer
Wohnort: Berlin

Re: Überproduktion Autos

Beitrag von berlinonaut »

Pibach hat geschrieben:Die verklärte Idee der flächendeckenden Grundversorgung ist doch mit Ursache für die Ineffizienz der Bahn.
So pauschal stimmt das nicht. Definiere doch bitte erst mal wie Du Effizienz verstehst. Wenn Du Effizienz im Sinne von "Wirtschaftlicheit" meinst: Ja, da hast Du recht. Wenn Du Effizienz im Sinne von "beliebiger Ort im Land ist in endlicher Zeit erreichbar und das komfortabel" meinst: nein. Wirtschaftliche Effizienz war damals nicht das Ziel - Grundversorgung schon. Damals gab es die Bahn und als Ergänzung Postbusse. Beides waren Staatsbetriebe, die nicht auf Wirtschaftlichkeit, aber auf gute, flächendeckende Versorgung angelegt waren. Die Postbusse wurden irgendwann zu Bahnbussen, die Post privatisiert. Heute ist Dein Briefträger oder Paketbote im ungünstigsten Falle ein selbständiger Subunternehmer in der dritten Reihe, die Briefkästen werden hier in Berlin von irgendwelchen Karren mit polnischen Kennzeichen geleert (und zwar ebenfalls als Subunternehmer der Post), die Arbeitsbelastung der Briefträger und Paketboten ist durch Ausweitung der Zustellbezirke in einem Mass gestiegen, dass die Zustellung dadurch verlangsamt wird oder ganz unterbunden. Die Bahn wurde im Zuge der Privatisierungsbestrebungen ebenso auf Wirtschaftlichkeit getrimmt - die alte Hure wurde aufgehübscht, das hat weder mit Nachhaltigkeit noch mit Kundeninteressen was zu tun. Zwei Ziele auf einmal geht nicht: Grundversorgung zu fairen Preisen (notfalls mit Staatszuschüssen) vs. Rendite für den Aktionär. Das Ergebnis sehen wir heute. Beide ehemaligen Staatsbetriebe sind heute weltweit agierende Wirtschaftsunternehmen - das ist eine völlig andere Ausrichtung als die, der Bevölkerung Deutschlands eine gute Dienstleistung zu erbringen. Schön, dass die Auswüchse des Beamten- und Staatsbetriebsunwesens weitgehend weg sind (Stichwort "Zulassung von Telefonen und Modems" z.B.), den Rest finde ich jetzt weniger gelungen...

Wenn Du Ineffizienz der Bahn auf heute beziehst wird es noch problematischer - ein Konzern dieser Grösse hat zwangsläufig einen immensen Overhead, das ist sogar bei Toyota als Vorbild effizenter Konzerne nicht anders. Grösse kostet halt. Dass die Bahn da vielleicht noch ein bisschen schlechter ist liegt aber eher an ihrer Historie als Staatsbetrieb und weniger an der früheren Idee der Grundausrichtung in der Fläche IMHO.
Pibach
Moderator
Beiträge: 8367
Registriert: Mi Aug 05, 2009 10:09 pm
Faltrad 1: Dahon Mu Ex
Faltrad 2: Dahon Mu Singlespeed
Faltrad 3: Gotway MCM V3
Geschlecht: m
Geburtsjahr: 1968
Status: FALTradfahrer
Wohnort: Berlin

Re: Überproduktion Autos

Beitrag von Pibach »

Ineffizient ist die Bahn in Hinblick auf praktisch alle ihre Leistungen. Im wesentlichen weil sie wegen des Grundversorgungsauftrags und staatlich geschützten Monopols subventioniert wurde und war nie auf Konkurrenzfähigkeit ausgelegt. Daher wurde sie vom aufkommenden Individuakverkehr, Auto und LKW, überholt, obwohl das normalerweise wohl keine Chance gehabt hätte. Über die Jahre ist Bahnfahren immer unattraktiver geworden. Und strotzt förmlich vor Innovationsstau. Inzwischen ist das System Bahn so lächerlich schlecht, dass selbst ich als nicht Autobesitzer und Faltradler es nicht mal entfernt in Erwägung ziehe für meine Fahrten(*). Und selbst ein innerdeuscher Flug unterbietet die Bahn idR um 50% im Preis.

(*) Ausnahmen: 10EUR WE Gruppenticket oder Rail&Fly benutze ich öfter
Pibach
Moderator
Beiträge: 8367
Registriert: Mi Aug 05, 2009 10:09 pm
Faltrad 1: Dahon Mu Ex
Faltrad 2: Dahon Mu Singlespeed
Faltrad 3: Gotway MCM V3
Geschlecht: m
Geburtsjahr: 1968
Status: FALTradfahrer
Wohnort: Berlin

Re: AW: Überproduktion Autos

Beitrag von Pibach »

berlinonaut hat geschrieben:Definiere doch bitte erst mal wie Du Effizienz verstehst.
Effizienz ist immer Output je Input.
Hier Transportdienstleistung pro "Kosten" (incl. externe Kosten).
Speedsix
Beiträge: 548
Registriert: Mo Aug 17, 2009 6:23 pm
Faltrad 1: Top Gear/BBC
Faltrad 2: RIP
Faltrad 3: Danke, Jeremy
Geschlecht: m
Status: FALTradfahrer
Wohnort: Gelnhausen

Re: Überproduktion Autos

Beitrag von Speedsix »

Pibach,

Such dir endlich mal ein Forum, wo du dich
auch mit praktischen Erfahrungen einbringen kannst.

Ansonsten sind deine Beiträge hier gewissermaßen Kult,
wie eben der Brägel in der “Tour“

P.S. “Performance orientierter Faltradfahrer, bei einem 20er Schnitt........
Speedsix
Beiträge: 548
Registriert: Mo Aug 17, 2009 6:23 pm
Faltrad 1: Top Gear/BBC
Faltrad 2: RIP
Faltrad 3: Danke, Jeremy
Geschlecht: m
Status: FALTradfahrer
Wohnort: Gelnhausen

Re: Überproduktion Autos

Beitrag von Speedsix »

Netter Artikel über die Folgen der Schnellzugverbindungen:

http://www.zukunft-mobilitaet.net/51192 ... er-nutzen/
Antworten