Ich fürchte das bleibt Wunschdenken - der Zug ist sozusagen abgefahren. Viele der ehemaligen Trassen sind mittlerweile zu Umgehungsstrassen oder Radwanderwegen umgewidmet. Das ist de Facto unwiderruflich. Die Bahn hat einen immensen Sarnierungsbedarf für noch in Betrieb befindliche Trassen und Brücken, der realistisch schon schwer zu stemmen ist, fährt die Infrastruktur weiter auf Verschleiss und investiert lieber in fremden Ländern und Geschäftsfeldern. Auch der Wille zur Fläche ist weder bei der Bahn noch beim Bund als Eigentümer zu erkennen. Personal und Material für diese Strecken gibt es auch nicht mehr und auch die Bahnhöfe selbst sind mindestens teilweise verkauft. Der Güterverkehr ist auf der Strasse und die Post hat in den 90ern ihre Frachtpostzentren fernab von Bahnlinien gebaut und ganz auf den LKW gesetzt. Jetzt wo fünf Trümpf ist.alterfalter2 hat geschrieben: Das hoffe ich sehr - auf Wiedereröffnung stillgelegter Bahntrassen!

Die Industriebetriebe auf dem Land, die noch per Schiene beliefert werden sind oft die Letzten, wegen denen eine Strecke noch aufgehalten wird (für den Güterverkehr) und die zittern alle Jahre wieder und mit ihnen ihre Kommunen, die auch noch auf ein Umdenken hoffen. Die einst hervorragende Bahninfrastruktur mit annähernd flächendeckender Versorgung wurde systematisch zerstört und auf dem Altar von ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecken geopfert, die die Bahn als Konkurrenz zum Flugzeug aubauen sollten. Tolle Idee.

Ich finde es immer noch erstaunlich, dass man in den 70er und 80er Jahren per Bahn problemlos, komfortabel (und sogar halbwegs bezahlbar) durch's Land fahren konnte von einer Kleinstadt zur nächsten und überall gab es Bahnhöfe mit Personal und sauberem geheiztem Wartesaal. Ja, damals war die Bahn defizitär, aber sie hat funktioniert. Heute ist Bahnfahren durch ein komplexes Preissystem sehr teuer (zumindest für diejenigen, die nicht lange im Voraus buchen können), die Pünktlichkeit ist unter aller Kanone und durch die Ausdünnung der Strecken auf dem Land braucht man trotz ICE teilweise länger zu seinem Ziel als früher mit IC und Kursbuch. Wenn man überhaupt noch hinkommt. Alleinstellungsmerkmale wie der Schlafwagen werden erst preislich in surreale Höhen geschraubt und gleichzeitig immer mehr eingeschränkt von Komfort und Verfügbarkeit, Autoreisezüge abgeschafft trotz voller Buchungsbücher, weil die Technik zu Tode geritten ist und kein Wille zur Investition vorhanden. Immerhin: Das Personal ist zumeist freundlicher als früher, kompetenter und der Speisewagen ist kein Mordanschlag mehr sondern nur noch schlecht und teuer.
Die kleinen privaten Bahnen zeigen, dass es auch richtig gut geht - wann immer ich mit denen gefahren bin war ich mehr als zufrieden. Neulich fuhr ich bahnstreikbedingt mit dem Fernbus von Frankfurt nach Berlin. 29 Euro (trotz streikbedingt höherer Ticketpreise) bei Buchung am Tag zuvor statt 80 Euro mit Bahncard 50 ist 'ne Ansage. 8 Stunden Fahrzeit statt knapp 5 leider auch. Würde ich nicht jeden Tag haben wollen, für den Preisunterschied kann man aber zumindest privat darüber nachdenken.
Wenn der Bund als Eigentümer der Bahn die Vorgabe machen und das politische Ziel setzen würde, die Bahn als flächendeckende Rumpfalternative zum Individualverkehr per PKW zu etablieren incl. Satellitenanbindung am Streckenende, z.B. per bundesweit günstig an jedem Bahnhof verfügbarem intelligentem Carsharing - dann könnte das in 20 Jahren wieder was sein. Und wenn dann die Pünktlichkeit der Japaner und das Preissystem der Schweizer eingeführt würde wär das sogar richtig gut. Das glaub ich aber erst wenn ich es sehe....