Pibach hat geschrieben: ↑Mo Mai 08, 2017 9:43 pm
EmilEmil hat geschrieben: ↑Mo Mai 08, 2017 1:32 pm
Nur ein Beispiel: In Berlin gibt es seit ca 30 Jahren alle Jahre wieder Krawalle zum 1-Mai, und ein schlapper Staat schaut im Prinzip dem Gesetz-widrigen Treiben tatenlos zu. Es werden höchstens die gröbsten Auswüchse reguliert. Ich bedaure zB Superfalter wegen des Verlustes eines Vorzeige-Bromptons und des verbrannten Kraftfahrzeuges. Das kommt eben vom Laissez-faire.
Also die deeskaliernde Verhaltensweise ist eine der wirksamsten Mittel der Polizei. Das hat dazu geführt, dass die früher gern eskalierenden Maikravalle ziemlich friedlich ablaufen.
Auch wenn es hier im Thread OT will ich (weil es so selten ist) die Gelegenheit nutzen Pibach ausnahmsweise zumindest teilweise recht zu geben: Die deeskalierende Taktik der Polizei hat sich über all die Jahre als die Wirkungsvollste erwiesen. Allerdings nicht in jedem Jahr und in Kombination mit zwei anderen Dingen: Dem von der Zivilgesellschaft getragenen Myfest, das seit ~knapp 15 Jahren einen Gegenpol und vor allem ein Statement gegen die Krawalle schafft, weil die Anwohner keine Lust mehr hatten sich alle Jahre wieder ihren Kiez kaputtschlagen zu lassen von Verstrahlten, die oft genug reine Krawalltouristen waren. Und dem frühzeitigen und konsequenten Isolieren und Rausfischen der Leute in der traditionellen Demo, die trotzdem Krawall machen. Reines Laissez-Faire würde nicht funktionieren. Und dieses Jahr war das erste Mal in 30 Jahren, dass es tatsächlich fast vollkommen friedlich geblieben ist.
Wer allerdings über die Jahre die alljährlichen Krawalle und die ohne Übertreibung in einigen Jahren bürgerkriegsähnlichen Zustände vor Ort erlebt hat (in meinem Falle viele Jahre als Anwohner im "Krisengebiet") dem war seit vielen Jahren klar, dass die gegenseitige Hochrüstung nirgendwo hinführen konnte und jedenfalls nicht zu einem friedlichen Ausgang.
Was die Entstehung der ganzen Klamotte angeht ging die übrigens auf Polizeigewalt zurück. Als seinerzeit 1987 die Polizei anlasslos und komplett überraschend das vollständig friedliche traditionelle Kreuzberger Maifest voller Kinder und Familien mit Knüppeln und allem was dazu gehört räumte bekam die Situation innerhalb von kürzester Zeit eine Eigendynamik, die durch den Pyromanen, der den Bolle anzündete noch gesteigert wurde. Das weiss ich, weil ich damals mittendrin war und ziemlich entsetzt von dem, was da abging, auf beiden Seiten und wie schnell die Situation von einem friedlichen Familienfest zu einer erbarmungslosen Strassenschlacht wurde. Und seitdem 30 Jahre lang history repeating... Prima, dass dieser unselige Kreislauf hoffentlich unterbrochen ist.
Historisch interessant ist übrigens der Bericht, den die Berliner Zeitung dieses Jahr abdruckte: Die Berliner Zeitung war ja 1987 DDR und druckte entprechend den Bericht der DDR Nachrichtenagentur ADN. Und eben den haben sie dieses Jahr noch mal veröffentlicht:
http://www.berliner-zeitung.de/berlin/d ... e-26754850
Wenn man die Klassenkampfpropaganda rausfiltert stimmen da (für mich überraschend) die wesentlichen Teil im Grossen und Ganzen mit meiner Erinnerung überein. Der Tagesspiegel hat seinen Jubiläumgsbericht leider nach einem interessanten Anfang hinter einer Bezahlschranke versteckt:
http://www.tagesspiegel.de/berlin/der-1 ... 34788.html
Und jetzt gerne wieder zurück zum Licht.