Karsten hat geschrieben:
Ansonsten finde ich auch die Art der Ursprungsmeldung und die beschriebene Datenhistorie faszinierend bemerkenswert.
->Fokusonline berichtet, "lautstark" und groteskerweise daß Fokusmagazin über eine "neue" Studie berichten werde.
->Diverse Nachrichtenagenturen berichten, daß Fokusonline berichtet, daß Fokusmagazin berichten werde..
->Diverse Print- und Onlinemedien veröffentlichen die Meldungen der Nachrichtenagenturen, daß Fokusonline berichtet, daß Fokusmagazin berichten werde, und varriieren und / oder kombinieren diese mit Spekulationen und / oder nichtssagenden Gemeinplätzen.
Dieser Effekt ist btw. alles andere als ungewöhnlich und nennt sich in der Fachsprache "Themenkarriere" (oder englisch "agenda setting"). Es gibt Leitmedien, in Deutschland z.B. den Spiegel oder die Bildzeitung, die viele der grossen Themen setzten, die dann von der Medienlandschaft landauf landab berichtet werden. Das tun sie, weil sie von Journalisten gelesen werden und weil sie über Quellen, Geld und Ressourcen verfügen um Recherche zu machen - eine Kunst die schon sehr lange verkümmert und die in letzten Jahren zunehmend fast völlig unter die Räder gekommen ist bei vielen Medien. Über Themenkarrieren und die Mechanismen, denen sie folgen gibt es regalmeterweise Untersuchungen in der Publizistik - dieser Effekt hat erhebliche Auswirkungen auf die öffentliche Agenda, die Meinungsvielfalt und damit auch auf politische Entscheidungen und somit auf die Spielregeln der Gesellschaft, in der wir leben.
Der Fokus ist nun nicht gerade ein Leitmedium ersten Ranges und freut sich ein Loch ins Knie, wenn er mal einen Scoop lancieren kann, sei er auch noch so klein. Dazu braucht man ein Thema exklusiv und lanciert dann vor Erscheinen des Hefts (bei montäglichem Erscheinen also irgendwann zwischen Freitag und Montag) vorab eine Meldung, dass man exklusiv was ganz dolles zu berichten hat. Die gibt man der dpa und mit etwas Glück berichten alle darüber. Steigert Auflage und Rennomée, das eigentliche Thema wird dabei allerdings gerne bis zur Unkenntlichkeit verbeult, spätestens beim dritten oder vierten Berichts-Hop. Der Stille-Post-Effekt eben und unvermeidlicher Kolateralschaden. Dass man vor lauter Gier nach Exklusivität dann die saubere Recherche aussen vor lässt ist nicht dem Fokus vorbehalten. Im konkreten Fall wurde die Studie offenbar auf einer Tagung am Wochenende in Berlin vorgestellt. Dieses Detail zu erwähnen würde ja das Image des Magazins als Magier der Nachrichtenbeschaffung demolieren. Es hat also etwas pressiert mit der Meldung, sonst wäre die Exklusivität keine mehr. Und Zeit, mehrere voneinander unabhängige Quellen zu einem Thema zu bemühen, wie es das Journalistenlehrbuch vorsieht für sauberes Arbeiten, blieb da wohl ebensowenig wie Raum für Einordnung des Berichteten. Fokus eben. Wobei ich die Printvariante nicht kenne - kann ja immerhin sein, dass sie da etwas umfänglicher gearbeitet haben.
Wir werden jetzt also mit einiger Wahrscheinlichkeit wohl ein paar Tage einiges über Fahrradhelme lesen, bis dann die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird. Vielleicht aber auch nicht - so dicke war der Scoop jetzt auch wieder nicht und das Thema passt nicht zur Jahreszeit...