Ch.Bacca hat geschrieben: ↑Di Nov 06, 2018 12:22 pm
EmilEmil hat geschrieben: ↑Mo Aug 06, 2018 8:47 am
... Anfahren am Berg ist z B. bei 18 % Steigung in Bergauf-Richtung nicht möglich ! ...
Gibt es dafür eine nachvollziehbare Herleitung? Ad hoc habe ich nichts gefunden.
Eine theoretische Herleitung dafür ist nicht besonders schwierig, aber ein bißchen mühsam. Das Mühsame besteht darin, erstmal heraus zu finden, welches die Minimalgeschwindigkeit ist, die man braucht, um aufzusteigen und dann per Satteltritt die Fahrt fortzusetzen. Während des Aufsteigens gibt es keinen Antrieb, d.h., wenn es bergauf geht, muß man mehr (Aufsteig-Roll-) Geschwindigkeit haben im Vergleich zum Anfahren auf ebener Fahrbahn. Man muß zunächst feststellen, wie groß die Aufsteig-Roll-Geschwindigkeit bei ebener Fahrbahn ist. Ich schätze mal ca 6 [km/h], um dann bei 4 [km/h] auf dem Sattel zu sitzen. Bergauf mit 18 % (=> 10,2 [Grd]) schätze ich mal 10 [km/h] und evtl. 7 [km/h] beim Sitz auf dem Sattel.
Schon die 10 [km/h] mit dem Anschub (Z B. Linkes Bein auf der Pedale, rechtes Bein schiebt) zu erreichen, halte ich für die meisten Radler (mich eingeschlossen ?) bergauf nicht für möglich.
Aber selbst wenn, darf der Schwerpunkt des Systems Rad plus Radler nicht zu weit hinten liegen: Der erste Pedaltritt mit großer Kraft führt zu einer nach hinten gerichteten, am System-Schwerpunkt angreifenden Trägheitskräft und einem nach hinten gerichteten Moment ("kippt" den Radler nach rückwärts !). Dieses Moment resultiert aus dem Gleichgewicht am Schwerpunkt. Die Vortriebskraft am Reifenaufstand wird mit einem Versetzungsmoment zum Schwerpunkt "verschoben". Vortriebskraft und Trägheitskraft sind am Schwerpunkt auf "Kosten" eines rückwärts gerichteten Moments ausgeglichen. Diese Vortriebskraft hängt von den Randbedingungen (Systemmasse, Steigung, Systemgeschwindigkeit für stabile Fahrt u.a.) ab. Ca. 6,3 [km/h] gehen bei mir bei 20 % Steigung, Trittfrequenz 65 [1/min] und 1,62 [m] Entfaltung. Da könnte man mal Kreuzotter bemühen. Irgendwann habe ich da mal gerechnet und 350 [Watt] sind in Erinnerung. Das geht aber nur auf einer Rampe < 500 [m], oder anders ausgedrückt: Nicht viel länger als 4 Minuten. Eine weitere Komplizierung ergibt sich aus der ungleichförmigen Abgabe der Muskelkraft bei einer 360 Grad-Drehung über das Kettengetriebe.
Eine Drehung durch dieses Versetzungs-Moments um den Aufstandspunkt des Hinterrades kann nur durch ein Moment, gebildet aus der Kraft am Aufstandspunkt des Vorderrades und dem zugehörigen Hebelarm (d.i. der Radstand) ins Gleichgewicht gebracht werden. Die vordere Aufstandskraft ist bei Trekkingrädern etwa 30 % des System-Gewichtes, und wird noch durch den quasi "schräg" stehenden Schwerkraft-Vektor (30 % ==> 30 % *cos(10,2 [Grd]) = 29,5 %) leicht abgemindert. Ist dieses "Vordere" Aufstands-Moment zu gering, kippt das ganze System nach hinten. Wer da die seitliche Balance hält, benötigt einschlägige Erfahrungen mit Hinterrad-Willies (Willi gleich Übersetzung von Englisch "wheely"). Das Faltrad Detleffs Carad (Hersteller Rotwild) hatte z B. in der Ursprung-Konzeption einen hinten liegenden Schwerpunkt und wurde von einigen Testern (Etwa 2012) als Willi-Maschine bezeichnet, ob sich seitdem daran etwas geändert hat, ist mir nicht bekannt. Ein falscher Schwerpunkt ist für mich absolutes NoGo.
Hab ich leider an meinem Folding*Star auch (Die Kettenstreben sind mit 360 [mm] extrem kurz (ein richtiges Maß wäre 430 [mm]). Bei konstanter Bergfahrt bringe ich deshalb meinen Oberkörper so weit wie möglich vor den Lenker. Trotzdem ist es mir schon einige Male passiert, daß das Vorderrad abgehoben hat.
Ändern kann ich das nur durch einen neuen Rahmen. Den gäbe es längst, falls das nötige Kleingeld vorhanden wäre. Und ich möchte betonen, daß ich nicht zu den Menschen gehöre, die etwas lobhudeln, nur weil sie es zufällig besitzen. Bei dem Carad gibt es jede Menge Tests, bei denen am Ende ein Prädikat "GUT" vergeben wurde. Da fehlt mir jedes Verständnis. Denn jeder, der auf einer Schaukel gesessen hat, bekommt eine Idee davon, wie das Hebelgesetz funktioniert, was ein Schwerpunkt ist und dessen Wichtigkeit. Interessant, daß auch "bessere" Hersteller (Edel-Grattler ?) wichtige Dinge einfach so übersehen.
Ich muß mich entschuldigen, daß ich hier etwas nur aus dem Armel schüttele, eine ordentliche Behandlung des Themas ist schon ein bißchen anders und dauert halt etwas länger. Wer etwas findet, wo er mich korrigieren kann oder muß, soll nicht zögern, es zu tun. Wenn das gut begründet ist, akzeptier ich das ohne irgendeinen Groll oder Nachtreten.
In Bayern soll es jetzt einen Politiker geben, der Rücktritt mit Nachtreten verwechselt. Alle Nase lang tritt der "Zurück". Dem sollte man mal eine ordentliche Scheibenbremse spendieren.
MfG EmilEmil