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Re: Reifenluftdruck bei Einfederung

Verfasst: Mi Aug 22, 2012 10:19 am
von EmilEmil
Hier nun die Kraft-Weg-Diagramme für die Reifengrößen (28-406;40-406;60-406):
Zur Klarstellung, dies sind gerechnete Diagramme. Auf eine Darstellung der theoretischen Gleichungen verzichte ich, weil das für die meisten Forums-Mitglieder von geringerem Interesse ist. Die Begrenzung der Einfederung ist bei allen Geometrien auf einen Sektorwinkel von 60 ° festgelegt. Für kleinere Winkel droht unmittelbar der Durchschlag.
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Nachdem abgeklärt wurde, daß der wesentliche Parameter für die Reifenaufstandskraft durch die Flächenvergrößerung bei größer werdender Eindrückung gegeben ist, wurden hier nun beispielhaft Kennlinien für verschiedene Reifen (Breite: 28;40,60 [mm]) der gängigen 20" Größe (ETRTO zb: 40-406) bei unterschiedlichen Luftdrücken dargestellt. Gegenüber der Flächenvergrößerung bleiben die Einflüsse von Luftkompressibilität und Struktursteifigkeit der Decke in der Summe unter 10 %, so daß diese Parameter pauschal mit einem Vergrößerungsfaktor von 1,07 (7 %) berücksichtigt sind. Eine genauere Bewertung kann erfolgen, falls Kraft-Weg-Kurven der Mantelstruktur (gemessene oder mit einem nichtlinearen FEM-Programm gerechnete) zur Verfügung stehen. Der Einfluß der Kompresssibilität ist mittels den Gesetzen der Gasdynamik erfassbar. Die Arbeit hierfür läuft auf die Berechnung der Volumenänderung hinaus. Nun wird man sich keine Sorgen um einen Fliegendreck machen, wenn es um den Elefantenhaufen geht.
Was kann man mit solchen Kurven anfangen?
Unabhängig vom für die Fahrleistung wichtigen Rollwiderstand kann man sich überlegen, ob der Reifenluftdruck zu hoch, zu gering oder gerade richtig ist.
Der Luftdruck ist zu groß, wenn das Rad oft die Bodenhaftung verliert, zu gering, wenn durch ein tiefes Schlagloch der Reifen bis auf die Felgenkanten durchschlägt. Gerade richtig ist der Luftdruck, wenn weder das eine noch das andere auftreten kann und zwischen Komfort und geringem Widerstand (Auf der Straße sinkt der Widerstand mit steigendem Luftdruck) ein tragfähiger (im wahrsten Sinne des Wortes) Kompromiß gefunden wurde. Nimmt man für die Radlastschwankung bei Fahrt auf einer Straße eine Normalverteilung mit einer Standardabweichung von 10 % an, so folgt für das 3-fache der Standardabweichung, daß in 99,7 % aller Fälle nicht mit größeren oder kleineren Werten gerechnet werden muß (M. Mitschke Dynamik der Kraftfahrzeuge, Band B).
Für eine Radlast von 666 [N] am Hinterrad ergibt sich mit 10 % Standardabweichung diese zu Sigma = 66,6 [N]; für das drei-fache hat man ~ 200 [N]. Es ist mit 666 [N] +- 200 [N] eine Schwankungsbreite von 466 [N] bis 866 [N] gegeben: Diese Lasten sind, ausgehend vom Arbeitspunkt (statische Einfederung, in den Diagrammen eingezeichnet) bei allen Reifen abgedeckt. Nicht von der Normalverteilung (Fahrt auf der Straße) erfaßt werden Einzel-Ereignisse wie zB harte Landung nach unbeabsichtigter Fahrt von einer 25 cm hohen Bordsteinkante.
Hier ist bei einem Verhältnis von maximaler Kraft/statischer Kraft von 4,5......5,0 genügend Reserve, so daß das Durchschlagen des Reifens mit großer Warscheinlichkeit nicht auftritt. Die Kraft-Weg-Kennlinie ist leicht degressiv. Besonders bei großen Einfederungen bevor Durchschlagen auftritt, wäre eine progressive Kennlinie vorteilhafter.
Die Reifen-Hersteller geben dem Radler insoweit Hilfe-Stellung, daß Minimum- und Maximum Luftdruck auf dem Mantel beschriftet sind (Minimum fehlt häufig!). Nimmt man da das arithmetische Mittel, so hat man eine gute Einstellung: ZB Marathon-Racer hat Minimum 3,5 bar und Maximum 6,0 bar. Der Mittelwert ist: 4,75 bar. Je nach persönlichem Gefallen sollten mit 4,75 bar +- 10 % die speziellen Ansprüche abgedeckt sein ( 4,3 bar = Komfort; 5,2 bar = weniger Rollwiderstand). Ich fahre zB mit 4,5 bar (Hinterrad). Für das Vorderrad (Belastung ca 50 % der Last des Hinterrades) sollten die Luftdrücke angemessen reduziert werden. Angemessen heißt, nicht proportional der Last, sondern entsprechend weniger, das das Vorderrad ja noch Führungsaufgaben (Dafür ist ein etwas höherer Luftdruck effektiver) übernimmt. Hier fahre ich zb knapp 4,0 bar.
Für mich gibt es noch einen weiteren Grund, mich mit der "Reifenaufstandsfläche" zu befassen: Da diese Fläche sich bei höheren Lasten vergrößert, muß dies auch Auswirkungen der Last auf die Anzahl der betroffenen (vor allem der entlasteten !) Speichen und die Höhe der Belastung der einzelnen Speichen haben. Ist imho wert, sich darüber Klarheit zu verschaffen.
MfG EmilEmil